Die neue Rolle der Designer in einer sich verändernden Welt.

Im Oktober 2018 hatte ich die Gelegenheit auf der Customer & User Experience Interactive Conference zu sprechen. Mein Beitrag dort ging um die neue(n) Rolle(n) der Designer heutzutage.

Was Produktmanager und Software-Entwickler machen, ist bekannt. Die Aufgaben von Digital Designern – schon weniger. Über die Gestaltung von Software-Produkten hinaus hat sich ihre Rolle in den vergangenen Jahren massiv erweitert: fort von User Interfaces, hin zur User Experience. Daniel Ley beschreibt, wie UX aus Software-Design einen Teamprozess zum Nutzen aller macht.

Software-Design ist heute viel mehr als reine Gestaltung oder Konzeption. Design ist zu etwas Interdisziplinärem und Ganzheitlichem geworden. Das liegt auch daran, dass Designer es gewohnt sind, sich mit vielen Themen zu beschäftigen. Schon um den Gestaltungsauftrag zu verstehen und einzuschätzen, müssen sie tief in die unterschiedlichsten Projekte und Produkte einsteigen. Daher fällt es Designern leicht, sich auf Änderungen einzulassen. Ich behaupte, dass Designer häufig eine Vorreiterstellung in Veränderungsprozessen einnehmen, und sei es unbewusst.

Designer sind Botschafter und Multiplikator für Transformation. Gefühlt erlebt gerade jede Organisation eine Transformation hin zur Digitalisierung. In vielen großen Unternehmen prägen häufig noch Legacy-Systeme das Bild, die Werte wie Sicherheit, Stabilität, Skalierung, Performanz und Funktionalität in den Vordergrund stellen. Diese Werte sind auch heute noch immens wichtig, nur haben sich die technologischen Lösungen und Herangehensweisen drastisch geändert (DevOps-Bewegung, Cloud-Computing usw.).

Das ist ebenfalls einer der Gründe, warum agile und Lean-Methoden für die Software-Entwicklung in großen Organisationen anfangs vor Herausforderungen stehen, denn die Organisation steht vor der Aufgabe, einen ganzheitlichen, kundenzentrierten Produktentwicklungs-Zyklus zu implementieren. Und die Unternehmen agieren bereits in einem äußerst komplexen Umfeld.

Da kommen die Designer ins Spiel. Was können und müssen also Software-Designer heute leisten, um den erforderlichen Kulturwandel zu begleiten und zu unterstützen? Wenn ich auf meine Erfahrungen bei pixell, Traveltainment und Amadeus zurückblicke, kann ich sagen: Sehr viel! Und: Design ist eine Teamsache.

Die oben erwähnte sozusagen natürliche Anpassungsfähigkeit der Designer spielt dabei eine große Rolle. Um Prozesse und Herangehensweisen zu ändern, müssen Designer heute auf verschiedenen Hierarchie-Ebenen Überzeugungsarbeit leisten, um nicht auf ihre Expertenrolle reduziert zu werden. Das höre ich auch aus anderen Unternehmen, insbesondere aber im Austausch mit unserer Amadeus-UX-Community. Weltweit sind wir rund 100 User-Experience-Experten aus unterschiedlichen Bereichen – viele aus dem Design, einige aus der Psychologie oder der IT. Es wird spürbar, dass die Kollegen ebenfalls intensiv dabei sind, den Wandel voranzutreiben und gemeinsam eine UX-Kultur aufzubauen. Dabei ist gleichfalls spürbar, dass man in dem Kontext oft Themen zur agilen Transformation oder Organisationsentwicklung streift.

Und das ist der Moment, in dem man beginnt, die jeweils passenden Hüte aufzusetzen.

So schlüpfen Designer immer wieder in die Rolle eines Lehrers und erklären die Zusammenhänge. Sie räumen an allen Ecken und Enden mit den Vorurteilen und Mythen zu UX auf, um zu erklären, dass UX-Design viel mehr ist als ein neuer Begriff für UI-Design (User Interface, Nutzeroberfläche). Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich eines Tages regelmäßig interne Kurse zum Thema anbieten würde – aber genauso ist es. Und auch hier passen wir uns ständig an: Anfangs standen Schulungen zu nutzerzentriertem Design und Usability im Mittelpunkt, inzwischen orientieren wir uns immer stärker am holistischen Design-Prozess, der alle Fachbereiche wie Entwicklung, Produkt Management und auch Commercials und Support einbezieht. Unter anderem veranstalten wir alle vier bis sechs Wochen ein internes „ProdUX Café“, wo wir einen interdisziplinären Austausch fördern, mögliche Methoden diskutieren und die ganzheitliche Herangehensweise vorantreiben.

Zu unseren Aufgaben gehört es auch, Teams mitzureißen und davon zu überzeugen, sich auf neue Übungen und notwendige Änderungen einzulassen – Designer sind als Expeditionsführer dafür verantwortlich, ganze „Reisegruppen“ in den Kreativprozess einzubeziehen.Ein gutes Beispiel dafür ist die Design Studio-Session, ein spezieller Co-Creation-Workshop mit dem IBE-Team von Traveltainment zum Thema „Bestpreis pro Filter“. Ziel war es, in kurzer Zeit mit einem interdisziplinären Team möglichst viele Ideen zu generieren, in einigen Iterationen zu besprechen und gleich zu überarbeiten. An einem halben Tag haben wir zuerst das zu bearbeitende Problem genau untersucht und Verstanden, danach in zwei Abläufen an verschieden Schritten der IBE gearbeitet – zunächst in zwei Gruppen, dann gemeinsam. Insgesamt kamen in der kurzen Zeit 76 Ansätze, Ideen und Skizzen aufs Tapet. Das Team konnte sich darauf einigen, zwei Ansätze weiter zu verfolgen. Das hat viel Spaß gemacht, und ich habe das Gefühl, dass wir gemeinsam sehr gute Ansätze entwickelt haben.

Außerdem übernehmen Designer durchweg die Rolle des Motivators und Mutmachers, wenn es darum geht, mit den Anwendern umzugehen, zum Beispiel im Rahmen von Usability-Tests oder Feldstudien. Anfangs haben wir teilweise Research oder Testings in Guerilla-Aktionen durchgeführt, um den Nutzungsbedarf zu ermitteln oder Software-Verbesserungen abzuleiten. Ohne Produktmanager hat sich das allerdings als eher kontraproduktiv herausgestellt. Heute wissen wir, dass wir die Kollegen auf die Reise mitnehmen müssen.

Designer werden auch zum Moderator, wenn es darum geht, Events wie die oben erwähnten Design Studio- Sessions oder Design-Sprints auszurichten. Ich habe festgestellt: Wann immer wir als Team in die Co-Creation gehen und alle Parteien zusammenarbeiten, wird ein besseres Ergebnis erreicht. Natürlich ist es gewöhnungsbedürftig, dass die Designer dazu aufrufen, jeder könne gestalten – obwohl Designer in früheren Jahren die Entwickler gern als designuntauglich abgestempelt haben. Nach kurzer Zeit lassen sich meist alle gerne darauf ein. So wird Produktentwicklung zu einem Teamsport.

Nicht zu vergessen: Diplomatie und Politik. Beides spielt nicht nur in Konzernen eine große Rolle. Hin und wieder ist es notwendig, dass Designer zum Beispiel gezielt Kollegen zur Zusammenarbeit bewegen, die als Multiplikator für die Mission der digitalen Transformation dienen. Denn das Management zu überzeugen ist eine schwierige Aufgabe. Die zudem ständig wiederkehrt, denn solange UX als ganzheitlicher und kollaborativer Designprozess nicht fest in der Organisation verankert ist, müssen Designer immer wieder für das Neue kämpfen, um Aufmerksamkeit wie auch um Budgets.

Das geht meist nicht ohne Ermächtigung und Backup durch das Management, denn oft braucht es genügend Befugnis, um in die Gänge zu kommen. Meine Erfahrung ist, dass die neuen Erfahrungen auch skeptische Kollegen überzeugen. Aber: Ohne Mandat bleiben viele Türen verschlossen, egal, welches schöne Hutmodell man trägt.

Bei all dem sind und bleiben Designer das, was der Name sagt: Es gehört nun einmal dazu, zu skizzieren, Prototypen zu bauen oder Mockups zu erstellen. Den Künstlerhut setzen Designer nie ab.

Insgesamt wird deutlich, dass der Designprozess gar nicht mehr scharf abgegrenzt ist. Es braucht nicht DEN einen Designer, der alles kann. Letztlich geht es um einen Kulturwandel in der Software-Entwicklung, und das betrifft alle am Prozess Beteiligten. Designer brauchen Unterstützung, um selbst bestmöglich zu unterstützen. Dann übernehmen sie eine Scharnierfunktion, eine Schlüsselrolle, einen Trainerstatus – wie erwähnt.

Zum Mitnehmen Für Manager:

  • Designer brauchen Unterstützung, um selbst bestmöglich zu unterstützen.
  • Nutzt die Leidenschaft, Empathie- und Begeisterungsfähigkeit der Designer.
  • Bemächtigt Sie, wenn nötig, damit sie neue Design-Prozesse etablieren können.
  • Vertraut den Designern! Auch sie wollen den Produkterfolg.

Für Designer:

  • Lasst Euch darauf ein, Design als Teamaufgabe zu betrachten.
  • Nutzt Eure vielen Talente, um den Wandel voranzutreiben.
  • Werdet Euch Eurer Rolle als Change Coach bewusst und nehmt sie aktiv an.
  • Haltet durch! Wandel braucht langen Atem und viel Ausdauer.

 

 
 

Image-Credits:
Cover-Photo by JOSHUA COLEMAN on Unsplash

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